Neue Gefahrstoffverordnung 2024: Faktencheck mit Infraserv-Expertin Dr. Gitta Weber
Die Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen, regelt umfassend die Betriebsanweisungen und Schutzmaßnahmen für Beschäftigte bei Tätigkeiten mit Stoffen und Gemischen, die zum Beispiel entzündbar, akut toxisch, ätzend oder krebserzeugend sind.
Am 13. November 2024 verabschiedete das Bundeskabinett eine neue Gefahrstoffverordnung .
Infraserv-Expertin Dr. Gitta Weber fasst die wichtigsten Änderungen für Sie zusammen:
Was ändert sich hauptsächlich?
Neu sind Verwendungs- und Tätigkeitsbeschränkungen für Asbest, die sogar für den Privatbereich gelten. Hier gibt es besondere Meldepflichten die zu berücksichtigen sind. Wer beispielsweise Tätigkeiten an asbestbelasteten Gebäuden oder technischen Anlagen veranlasst, muss dem Auftragnehmer im Rahmen der Mitwirkungs- und Informationspflichten nach § 5 a Baubeginn und Baujahr des Objekts mitteilen.
Zudem gibt es Änderungen für Tätigkeiten mit sogenannten KMR-Stoffen. Diese sind krebserzeugend, keimzellmutagen und reproduktionstoxisch und werden je nach Gefährlichkeit in unterschiedliche Kategorien eingeteilt.
Welche neuen Pflichten bringt die Gefahrstoff-Verordnung für Unternehmen?
Es gibt Änderungen bei den Aufzeichnungspflichten. Hier besteht nun Meldepflicht bei der Überschreitung von Beurteilungsmaßstäben bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Stoffen.
Außerdem wurden die Aufzeichnungspflichten bei Tätigkeiten mit der Exposition gegenüber KMR-Stoffen konkretisiert und um die der reprotoxischen Stoffe erweitert.
Alle Überschreitungen müssen innerhalb von zwei Monaten an die Behörden gemeldet werden.
Es muss ein Maßnahmenplan erstellt und an die Behörden übermittelt werden.
Warum lohnt sich die frühzeitige Anpassung an die neuen Vorgaben der Gefahrstoff-Verordnung?
Oberstes Ziel: Um das Unternehmen schnellstmöglich, rechtssicher aufzustellen.
Experten-Tipp: Als Unternehmen müssen sie regelmäßig ihre Gefährdungsbeurteilung aktualisieren, nutzen sie die Gelegenheit um zu prüfen, ob sie alle Forderungen an die neue Gefahrstoffverordnung erfüllen. Hier sind u.A. die Mitarbeiter zu Unterweisen und das Gefahrstoffverzeichnis zu aktualisieren.

Dr. Gitta Weber
Dr. Gitta Weber ist seit 1993 im Qualitätsmanagement sowie im Arbeits- und Gesundheitsschutz tätig. Nach ihrem Chemie-Studium an der Johannes Gutenberg-Universität und kurzen Aufenthalten an der University of California, Irvine (USA), und der Universität Bayreuth forschte und promovierte sie am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz. Nach Stationen bei Ciba-Geigy Additive und der BG Druck- und Papierverarbeitung stieß die ausgewiesene Produktsicherheits- und Gefahrstoffspezialistin 2008 zu Infraserv Höchst, wo sie seit 2010 die Akkreditierte Messstelle für Gefahrstoffe leitet.
Die Änderungen im Detail
Tätigkeiten mit KMR-Stoffen
Ein Großteil der Änderungen betrifft die Tätigkeiten mit sogenannten KMR-Stoffen. Diese sind krebserzeugend, keimzellmutagen und reproduktionstoxisch und werden je nach Gefährlichkeit in unterschiedliche Kategorien eingeteilt.
Ein Liste der als krebserzeugend (K), keimzellmutagen (M) und/oder reprotoxisch (R) eingestuften Stoffe finden Sie beim Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung zum Download .
- Das Risikokonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen wird künftig komplett Teil der Gefahrstoffverordnung.
- Statt von „Akzeptanzkonzentration“ zu sprechen, nutzt man künftig den Begriff „Zielkonzentration“. Diese soll einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess unterliegen.
- Unter bestimmten Umständen müssen Unternehmen einen Maßnahmenplan nach § 10 (5) vorlegen. Dies gilt beispielsweise, wenn Arbeitsplatzgrenzwerte für krebserzeugende oder keimzellmutagene Stoffe nicht eingehalten werden oder die Tätigkeiten wegen Überschreitung der Akzeptanzkonzentration im Bereich mittleren Risikos liegen. Der Maßnahmenplan muss Angaben zur angestrebten Verringerung der Exposition und zum zeitlichen Rahmen der Umsetzung enthalten.
- Eine behördliche Anzeigepflicht besteht bei krebserregenden und keimzellmutagenen Stoffen der Kategorien 1A und 1B, wenn Arbeitsplatzgrenzwerte oder Toleranzgrenzwerte überschritten werden. Dann wird es erforderlich, der Behörde innerhalb von 2 Monaten die gemessenen Expositionen sowie einen Maßnahmenplan zur Beseitigung der Grenzwertüberschreitungen zukommen zu lassen.
- Auch reprotoxische Stoffe (R) der Kategorien 1A und 1B müssen künftig ins Expositionsverzeichnis mit aufgenommen werden. Anders als bei den KM-Stoffen muss das Verzeichnis nach dem letzten Eintrag jedoch nicht 40 Jahre, sondern nur 5 Jahre aufbewahrt werden.
Lockerung bei der Lagerung giftiger Stoffe
Nur noch akut toxische Stoffe und Gemische der Kategorien 1, 2 und 3 müssen unter Verschluss verwahrt werden. Dies gilt nicht mehr für KMR-Stoffe der Kategorien 1A und 1B, solange nur fachkundige Personen darauf Zugriff haben.
Strengere Regeln für Asbest
Insbesondere bei der Renovierung oder Sanierung von Altbauten stellt die Belastung durch Asbest auch für den Arbeitsschutz immer wieder ein Problem dar. Deshalb wird jetzt in der Gefahrstoffverordnung nicht mehr zwischen „schwachem“ und „festgebundenen“ Asbest unterschieden.
Wer Tätigkeiten an asbestbelasteten Gebäuden oder technischen Anlagen veranlasst, muss dem Auftragnehmer im Rahmen der Mitwirkungs- und Informationspflichten nach § 5 a Baubeginn und Baujahr des Objekts mitteilen.
Die neue Fassung der Gefahrstoffverordnung enthält ferner eine neue Beschreibung der erforderlichen Qualifikationen bei Tätigkeiten mit Asbest.
Abgaberegelung für Biozide verschärft
Nach der am 25. August 2021 veröffentlichten Biozidrechts-Durchführungsverordnung (ChemBiozidDV) dürfen bestimmte Biozide wie etwa Rodentizide, Insektizide und Antifoulingmittel nur noch von Personen mit einer entsprechenden Sachkunde an Endkunden abgegeben werden.
Wo besteht in Ihrem Betrieb Handlungsbedarf?
- Checken Sie, wo in Ihrem Betrieb Mitarbeitende KMR-Stoffen ausgesetzt sind.
- Erstellen oder aktualisieren Sie ein Expositionsverzeichnis, das nach Gefahrstoffverordnung § 14 (3) verpflichtend ist.
- Händigen Sie das Expositionsverzeichnis ausscheidenden Mitarbeitenden mit ihren sonstigen persönlichen Unterlagen aus.
- Arbeitsplatzgrenzwerte nach den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 900) prüfen.
- Geänderte Regelungen bei Tätigkeiten mit Asbest anwenden.
- Prüfen Sie, ob beim Inverkehrbringen von Chemikalien eine Sachkunde erforderlich und vorhanden ist.
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